Wie Du sagest, fantozzi, das "Deutsch" aendert sich vom Norden zum Sueden und auch vom Osten zum Westen, sogar vom Dorf zu Dorf. Bei uns in NRW das schlimmste was ich kannte war das Plat von Koeln. Ich glaub dass es nicht viel schlimmer sein koennte, obwohl schwabisch nicht viel besser ist.....lol.
Ich habe einmal die Theorie gehört, dass die germanischen Stämme, die in die Berge zogen und dort jagten und lebten, viel mehr 'schnaufen' (schwer atmen) mussten bei der Arbeit und beim Gehen. Deshalb wurden die Vokale so breit und die (früher stark betonten) Endsilben der Verben nicht mehr richtig ausgesprochen.
Ich weiß nicht, ob diese Theorie stimmt, aber sie hat mir zumindest geholfen, zu verstehen, warum die süddeutschen Dialekte ein bisschen so klingen, als hätte man die Konsonanten und Vokale in einen Mixer getan. Wenn man einen Athleten nach einem 100-Meter-Lauf fragt, dann hört sich 'I am verry disapointed' vielleicht so an: 'fff ... ähm ... ff ... ferr dishpönd ...fff' - und - voilà - schon hast du einen süddeutschen Dialekt

. Es hat vielleicht wirklich viel mit der Atmung zu tun. Keine Ahnung.
Kann ich fragen, wenn war der ersten Mal wenn man Hochdeutsch as "standard" Sprach nutzen angefangen hat?
Das weiß ich leider nicht genau. Schriftsteller haben in der Regel keinen Einfluss auf die Sprachentwicklung. Sie helfen ja auch heute nicht, dass die Kommentare der Kids auf You-Tube schöner werden.
Aber geholfen hat auf jeden Fall, dass Martin Luther vom Hochdeutschen beeinflusst war, als er die Bibel (1534 bis 1545) übersetzte. Das ist wohl auch nur ein Zufall. Er sorgte wohl für eine rasche Verbreitung des Hochdeutschen auch in den niederdeutschen Regionen. Jedenfalls, das ist so ungefähr die Zeit, in der sich das Hochdeutsche in den Norden auszubreiten beginnt.
Aber ich denke, man darf sich das nicht aus heutiger Perspektive denken. Bis in die Zeit der Erfindung der ersten Rotationsdruckmaschinen (~1850) waren Bücher und Zeitungen keine 'Massenmedien, 90% der Bevölkerung in Europa konnte weder lesen noch schreiben. Deutschland, als einheitlicher Nationalstaat wurde 1871 gegründet, vorher machte jeder deutsche Kleinstaat, was er will. Auch das politische Interesse an einem 'Standard' in der Sprache war nicht groß.
Als erster Bestseller der Weltliteratur gilt Johann Wolfgang von Goethes 'Werther' (1774), der in ganz Europa gelesen wurde. Die Wahrheit ist: während des langen Lebens von Goethe wurden zwar 42 Auflagen dieses Buches gedruckt, aber so eine Auflage bestand damals aus vielleicht 50 bis 200 Exemplaren. Insgesamt wurde der Werther in 30 Jahren vielleicht 11.000 mal gedruckt.
Das kann man mit heutigen Verhältnissen, wo eine Zeitung jeden Tag 500.000 mal gedruckt wird, einfach nicht vergleichen.
Die Schrift sollte keine so große Rolle bei der Ausbreitung des Hochdeutschen gespielt haben. Aber: das Niederdeutsche ist ja nicht verschwunden. Es ist noch da. Genauso wie die Dialekte. Eine Standardsprache verdrängt also nicht unbedingt die lokalen 'Varietäten'. Sie legt sich eher darüber wie ein Mantel über die Kleidung. Es ist kein 'Entweder-Oder'.
Aber wie das dann funktioniert, wenn die Schrift keine Rolle spielt, weiß ich nicht.
Und das ist auch interessant. Und war sehr überraschend, wenn ich für erstem Mal das gehört habe. Es ist ganz gleich in Großbrittanien, wo Dialekten auch ändern sich, wie habt ihr gesagt, vom Dorf zu Dorf. In Polen, im Gegensatz, die Sprach is sehr einheitlich. Da gibt ein Paar regionaldialekten, aber sie machen nur ein klein Prozent, während fast ganze Population spricht in der sehr gleichen Weise.
Das ist wirklich interessant - warum 'Standard' manchmal Dialekte verdrängt, die 'Stammessprachen', aber manchmal nur hinzu kommt, so wie eine zweite Sprache. Woran das liegt?
Es ist so ähnlich mit der Weltsprache 'Englisch'. Viele haben Angst, das Englische verdrängt andere (germanische) Nationalsprachen wie Deutsch oder Holländisch. Ich habe aber bisher noch kein einziges deutsches Kind gesehen, das nur noch Englisch spricht. Da sagen Forscher auch etwas ganz anderes, nämlich dass man auch auch über die Muttersprache mehr nachdenkt, wenn man eine Fremdsprache lernt. Das ist nicht schädlich, sondern gut für die Muttersprache. Aber immer diese Angst.
Ich fürchte, es liegt in der Sozialgeschichte der germanischen Stämme. Sie lebten auf ihren kleinen Lichtungen im Urwald - und aus dem Wald um sie herum kam nichts Freundliches. Es gab so eine Art 'natürliche Fremdenfeindlickeit'. Die Römer waren hingegen Seefahrer, sie hatten schon in der Antike das halbe Land abgeholzt und konnten drei Tage vorher sehen, wer zu Besuch kommt. Die Germanen konnten nicht weit schauen, sie waren umgeben von Bäumen. Die Germanen haben sich, so gut es ging, versteckt. Es ist noch nie eine germanische Siedlung gefunden worden, die mehr als 100 Bewohner hatte, während zur gleichen Zeit Metropolen wie Syrakus oder Athen eine halbe Milliion Einwohner hatten. Die Germanen waren auch keine Entdecker wie die Wikinger, keine Straßenbauer wie die Römer. Sie waren nicht besonders neugierig auf die Welt 'außerhalb'. Da wären wir auch wieder bei den Runen. Auch sie dienten nicht, so weit bekannt, dem Handel, dem Austausch, der 'Kommunikation' miteinander (Briefe, Nachrichten etc.). Es ist ja schon komisch, dass die Römer Bücher über die Germanen geschrieben haben, aber die Germanen gar nichts über die Römer. Die Germanen haben uns gar nichts erzählt.
Die vielen starken Dialekte sind vielleicht das Produkt solcher 'Waldvölker', die weitgehend isoliert - auch untereinander - gelebt haben. Vielleicht. Ich weiß es nicht, nur eine Vermutung. Meine Theorie.